PM – 22. Philosophicum Lech festlich eröffnet
Pressemeldung 20. September 2018, Lech, 2018-09-20
Feierliche Eröffnung des internationalen Symposiums mit besonderer Ehrung
Spannender Auftakt zum 22. Philosophicum Lech
Unter dem Titel „Die Hölle. Kulturen des Unerträglichen“ nimmt das 22. Philosophicum Lech gleichsam infernalische Phänomene und Entwicklungen der Gegenwart vor einem weiten kultur- und philosophiehistorischen Horizont in den Blick. Bereits zum Auftakt boten sich den Teilnehmern verblüffende Thesen, wie dass man sich die Hölle als einen glücklichen Ort vorstellen muss – oder zumindest kann. Der Brückenschlag zwischen überkommenen Vorstellungswelten zum Inferno und kritischer Zeitdiagnose wird auch in den kommenden Tagen für spannende Vorträge und Diskussionen garantieren.
Die Hölle als ausdrucksstarke Universalmetapher fungiert zugleich als Leitmotiv und Schlüsselbegriff beim heurigen Philosophicum Lech, das vom 19. bis 23. September wieder hochkarätige Referenten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum in den renommierten Urlaubsort am Arlberg geladen hat. Von den religiösen Ursprüngen über künstlerische und literarische Deutungen bis zu Jean-Paul Sartres berühmtem Diktum „Die Hölle, das sind die anderen“ wird dem Infernalischen in der Philosophie- und Kulturgeschichte auf den Grund gegangen. Wie es dem Charakter des transdisziplinären Symposiums seit jeher entspricht, zielt die Thematisierung insbesondere auf brisante Fragen der Gegenwart, was im Untertitel anklingt. So lassen „Kulturen des Unerträglichen“ nicht zuletzt an höchst aktuelle, als unzumutbar empfundene Entwicklungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft denken.
Auf das breite Spektrum der Themen sowie ein Grundprinzip des „Höllischen“ kommt der wissenschaftliche Leiter Konrad Paul Liessmann in seinem Editorial zum Philosophicum Lech 2018 zu sprechen: „Das Unerträgliche ist weder chaotisch noch anarchisch, es gehorcht Regeln, Ritualen, Zwängen und Wiederholungen. Es handelt sich um Kulturen des Unerträglichen, die von der Hölle in Beziehungen und Familien bis zu den Höllen der Sucht, von den Höllen der Gewalt und der Kriege bis zur Hölle des Cybermobbings und des Hasses in den sozialen Netzwerken, von der Hölle der Naturkatastrophen bis zu den Höllen des Terrors und der politischer Repression reichen.“ Wie fabelhaft sich die Auseinandersetzung mit der Ideengeschichte zum Inferno für eine Analyse und Diskussion gegenwärtiger Phänomene eignet, wurde bereits zum Auftakt der Veranstaltung deutlich.
Philosophisch-literarischer Vorabend als thematische Einstimmung
Als unterhaltsamer Prolog zum Jahresthema ist der philosophisch-literarische Vorabend am Mittwoch längst ein Fixpunkt und auch Glanzlicht des Symposiums. In der voll besetzten Neuen Kirche Lech verfolgten die Zuhörer wieder mit Spannung die Doppelconférence von Liessmann und Michael Köhlmeier. Dem erfolgreichen Vorarlberger Schriftsteller, auf dessen Idee das Philosophicum Lech zurückgeht, gelingt es stets bravourös, mit seinen Erzählungen das Jahresthema atmosphärisch aufzubereiten. Während Liessmann, auch in der Literaturwissenschaft beschlagen, mit philosophischen Ad-hoc-Interpretationen erste Grundlinien für die Diskussionen der kommenden Tage skizziert. Unter dem Titel „Heulen und Zähneklappern. Geschichten aus der Hölle“ führte die philosophisch-literarische Reise diesmal von tragischen Helden der Unterwelt in der Antike über einen ungewöhnlich humanen Teufel in Anlehnung an die Volksmärchen bis hin zu einer Geschichte, die Paradies und Hölle zu verbinden wusste. Letztere hatte Köhlmeier spontan gewählt und zeigte sich beeindruckt, dass Liessmann deren Quelle, das Nikodemusevangelium kannte. Dieser überraschte wiederum mit Überlegungen, wie etwa dass solange unsere Welt schon alle Züge einer Hölle trage, die Hölle vielleicht gar nicht die Hölle sei.
Attraktives Rahmenprogramm an außergewöhnlichen Orten
Großes Interesse weckten auch die Veranstaltungen am Donnerstagvormittag. Das hochkarätige Rahmenprogramm, heuer zum zweiten Mal angeboten, eröffnete bei jeweils begrenzter Teilnehmerzahl die Wahl zwischen drei speziellen Schauplätzen und abwechslungsreichen Diskussionen. Bei „HOHE LUFT_Philosophieren am Berg“ unter Patronanz des Philosophie-Magazins Hohe Luft führten dessen Chefredakteur Thomas Vašek und Jörg Baberowski einen Diskurs im Panoramarestaurant am Rüfikopf auf 2.350 Metern, begleitet von einem Brunch. Außergewöhnlich auch der zweite Veranstaltungsort: Bei „Heiße Debatten – Philosophieren im Heizwerk Lech mit ‚Die Presse‘“ moderierte Chefredakteur Rainer Nowak die Diskussion zwischen Bundesminister Gernot Blümel und Konrad Paul Liessmann zur Frage „Wie viel Philosophie braucht die Politik?“. Als dritte Option bot sich die Exkursion zum Kunsthaus Bregenz mit Rundgang durch die Ausstellung von David Claerbout und Diskussion von Christian Grüny, Privatdozent an der Universität Witten/Herdecke, sowie Thomas D. Trummer, Direktor des KUB, über Zeit und Realität.
Magna-Impulsforum zu gesellschaftspolitisch aktuellen Themen
Als breitgefächerte Erörterung des Jahresthemas konzipiert, führte das unter Schirmherrschaft des Hauptsponsors stehende Magna-Impulsforum zu einer lebhaften Debatte über die Frage „Wie unerträglich ist das Unerträgliche?“. Unter Moderation von Michael Fleischhacker diskutierten die Nationalratsabgeordnete Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, die leitende Redakteurin des STANDARD und Nahost-Lehrbeauftragte an der Uni Wien sowie Diplomatischen Akademie Wien Gudrun Harrer, die Philosophin und Künstlerin Lisz Hirn sowie Thomas D. Trummer. Aspekte wie das Für und Wider der Darstellung von extremer Gewalt in der medialen Berichterstattung und Kunst, die historische Bedingtheit von gesellschaftlichen Werten und damit verbunden dem jeweiligen Rechtsempfinden oder auch Erkenntnisse der praktischen Philosophie zum Sozialverhalten fanden starke Resonanz im Publikum. Nur als Beispiel eine pointierte Anmerkung von Lisz Hirn: „Wir wissen, dass vieles nicht gut läuft, aber wir bleiben bei unserem Verhalten. Es ist wahnsinnig schwierig, vernünftig zu werden.“
Feierliche Eröffnung mit einer besonderen Ehrung
Es folgte wie üblich die offizielle Eröffnung. Zunächst bedankte sich Ludwig Muxel, der Bürgermeister von Lech, bei allen, die Jahr für Jahr zur erfolgreichen Ausrichtung und Entwicklung des Philosophicum Lech beitragen. Zudem empfahl er den über 600 Teilnehmerinnen des heurigen Symposiums, das wieder bereits Monate im Voraus ausgebucht war, einen Besuch des „Skyspace Lech“ von James Turrell, der am Sonntag zuvor eröffnet worden war. Das begehbare Kunstwerk des wohl bedeutendsten Lichtkünstlers der Gegenwart unterstreiche die Positionierung der Gemeinde und Tourismusdestination Lech Zürs im Bereich Kunst und Kultur und sei von enormer Strahlkraft. Perfekt daran anschließen konnte der Landeshauptmann von Vorarlberg Markus Wallner, der das Philosophicum Lech als überaus wertvolle Bereicherung für das Land und darüber hinaus bezeichnete.
Überraschend auch für den Geehrten selbst schritt der Landeshauptmann nach seiner Rede zur Verleihung des Silbernen Ehrenzeichens des Landes Vorarlberg an Ludwig Muxel. Dabei betonte er, dass er den Rahmen der Verleihung bewusst ausgewählt habe, wäre doch ohne Bürgermeister Muxel die Entstehung und Entwicklung des Philosophicum Lech undenkbar gewesen. Muxel unterstrich wiederum bei seinen Dankesworten, dass er die Ehrung stellvertretend für alle Beteiligten in Empfang nimmt. Als dritter Festredner folgte Bundesminister Gernot Blümel, der sich gleich in mehrfachem Sinne über die Einladung erfreut zeigte. Schon im vergangenen Jahr hatte er sich beim Philosophicum angemeldet, wobei ihm dann eine Wahl dazwischen gekommen sei, wie er anmerkte. Als Absolvent eines Studiums der Philosophie ging er auch auf das heurige Thema ein und verwies darauf, dass das Konzept der Hölle historisch erstmals mit der Entstehung von ersten Staaten auftaucht. Was unerträglich ist, könne man nur selbst bewerten, weil es eine höchstpersönliche Kategorie sei.
Eröffnungsvorträge von Dieter Althaus und Konrad Paul Liessmann
Im Anschluss referierte Dieter Althaus, Vice President Governmental Affairs Magna Europe, unter dem Titel „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht …“ (nicht Heinrich Heine) über zentrale gesellschaftliche Herausforderungen der Zukunft und ethische Gesichtspunkte, was die technische Entwicklung anbelangt. Abgeschlossen wurde der Donnerstag wie immer durch den Eröffnungsvortrag von Konrad Paul Liessmann, der wieder eine argumentativ fesselnde Abhandlung über das heurige Thema zum Besten gab. „Man muss die Hölle als einen Ort betrachten, der über Ängste und Sehnsüchte des Menschen ebenso Auskunft gibt wie über seine Begierden und Phantasien sowie seine religiösen und moralischen Präferenzen“, führte er an und meinte unter anderem, dass der berühmte Schlusssatz von Albert Camus’ philosophischem Essay „Der Mythos des Sisyphos“ abgewandelt werden könnte: Wir müssen uns die Hölle als einen glücklichen Ort vorstellen. Wie das genau zu verstehen ist, würde hier zu weit führen. Mit überraschenden Thesen und Erkenntnissen darf jedenfalls auch bei den Referaten der kommenden Tage gerechnet werden.
Weitere Informationen unter www.philosophicum.com
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