Medicinicum Lech 2019 – Natur auf Rezept und gesunder Fortschritt durch Empathie
Zukunftsweisende Perspektiven zum Thema „Gesundheit und Umwelt“
5. Juli 2019
Am ersten Tag des Medicinicum Lech 2019 offenbarte sich bereits die große Brisanz und weitreichende Bedeutung des heurigen Themas. „Ökologie als Schlüsselfrage für unsere Gesundheit und Zukunft“ lautet der Untertitel des Public-Health-Symposiums, das die wohl größten Herausforderungen unserer Zeit in den Mittelpunkt rückt. Renommierte Experten der Gesundheitsvorsorge und -politik beleuchteten Schwierigkeiten auf dem Weg zum gesellschaftlichen Wandel, während der Philosoph Richard David Precht den Zeitgeist kritisch hinterfragte. Die Kooperation mit dem internationalen Studienprogramm Eu-HEM garantierte von Beginn an für einen Dialog zwischen den Generationen.
Unter dem Titel „Der gesunde Mensch in einer gesunden Umwelt“ widmet sich das 6. Medicinicum Lecheinem Aspekt der Gesundheitsvorsorge, der die längste Zeit vernachlässigt wurde und in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Denn die Ökologie schafft das unverzichtbare Fundament für ein gesundes Leben und gibt zugleich Antworten auf die brennendsten Fragen der Gegenwart. Die damit verbundenen Problemfelder reichen vom Klimawandel über die Notwendigkeit einer Agrarwende bis hin zum Verlust der Biodiversität, Luftverschmutzung und Plastikflut. Dem breitgefächerten Themenspektrum kommt der interdisziplinäre Charakter des Public-Health-Symposiums zugute. So referieren vom 04. bis 07. Juli 2019ausgewiesene Experten zur jeweiligen Materie aus verschiedensten Fachbereichen: Ärzte und Mediziner ebenso wie Ökologen, Ökonomen, Kulturwissenschaftler und Philosophen. Bei den Vorträgen und Diskussionen sollen nicht nur die komplexen Zusammenhänge, sondern auch positive Zukunftsperspektiven aufgezeigt werden.
Das erklärte Ziel, Wege aus der vielschichtigen Krise zu skizzieren, strich auch Prof. Dr. Markus M. Metkabei seinen einleitenden Worten am gestrigen Nachmittag hervor. Bei der Themenfindung für die heurige Veranstaltung im vergangenen Herbst sei zwar klar gewesen, welch enorme Bedeutung die Umwelteinflüsse für unsere Gesundheit haben. Doch niemand hat ahnen können, wie sehr die ganze Thematik in der Zwischenzeit an öffentlicher Aufmerksamkeit gewinnen würde. Diesbezüglich verwies der wissenschaftliche Leiter des Medicinicum Lech unter anderem auf die globale Schüler- und Studentenbewegung „Fridays for Future“ Über diese begeistert hat er als Arzt beschlossen, gemeinsam mit Kollegen die Initiative „Doctors for Future“ zu gründen, um sich für den Klimaschutz einzusetzen. Der Schulterschluss mit der Jugend passt zum Anspruch, beim Medicinicum Lech vermehrt auch junges Publikum zu begrüßen. Der Dialog über die Generationen hinweg ist den Veranstaltern ein großes Anliegen und schlug sich letztes Jahr in einer Kooperation nieder, die sich auf Anhieb als wertvolle Bereicherung erwies.
If nature were a pill, it would be reimbursed by health insurance
Angesprochen ist damit das internationale Studienprogramm „European Health Economics & Management“ (Eu-HEM), das gemeinsam vom Management Center Innsbruck (MCI), der Universität Bologna, der Universität Oslo und der Erasmus Universität Rotterdam angeboten wird. Mit dem Ziel, die besten Köpfe auf dem Gebiet der Gesundheitsökonomie und des Gesundheitsmanagements auszubilden, werden die Studierenden auf die Tätigkeit in internationalem Umfeld vorbereitet. Der Brückenschlag zum Medicinicum Lech erfolgte vergangenes Jahr mit dem Abhalten der alljährlichen Sommer School von Eu-HEM in Lech am Arlberg. Die gelungene Premiere bestärkte die Verantwortlichen in der Fortführung der Kooperation. So ging auch heuer die Sommer School von Eu-HEM nahtlos in das Medicinicum über, das dadurch einen ebenso spannenden wie tiefgreifenden thematischen Auftakt fand.
Der Donnerstagvormittag stand unter dem Titel „How to live a healthy life and how to provide a healthy environment in our own communities and businesses?” Die englischsprachigen Vorträge wurden simultan ins Deutsche übersetzt und führten zu anregendem Gedankenaustausch zwischen Vortragenden und Publikum. Dass letzteres per Online-Votum des Öfteren interaktiv mit eingebunden wurde, belebte die Debatte zusätzlich. Zudem waren die Studierenden auf dem Podium durch KollegInnen vertreten, die sich in die referierten Themen vertiefend eingearbeitet hatten und sich u. a. mit kritischen Fragen an die beiden Vortragenden wandten. FH-Prof. Dr. Siegfried Walch, der Leiter des Departments und Studiengangs am MCI, ermutigte einleitend die Zuhörerschaft, sich in die Diskussion einzubringen.
Referiert wurde von zwei renommierten Experten auf dem Gebiet der internationalen Gesundheitsvorsorge und -politik. Den Anfang machte Matthias Braubach, der als technischer Leiter für Urban Health Equity am Europäischen Zentrum für Umwelt und Gesundheit der WHO arbeitet. In seinem Vortrag thematisierte er Aspekte der gesundheitlichen Umweltbelastung und diesbezügliche Ungleichheiten, was die Betroffenheit von unterschiedlichen Gesellschaftsschichten anbelangt, sprich die Frage der Umweltgerechtigkeit. Dabei brachte er Fakten, wie z. B. 1,4 Mio Todesfälle pro Jahr in Europa aufgrund von Umweltbedingungen, betonte aber auch, dass sich hinter Durchschnittswerten viel verstecken kann. Seine zentrale Botschaft: Wäre die Natur eine Pille, würde sie von der Krankenkassa erstattet.
Das zweite Referat hielt Dr. Nick Fahy, der Senior Researcher an der University of Oxford und Berater für Gesundheitspolitik und -systeme ist. Dabei richtete er den Fokus darauf, wie Veränderungsprozesse in Politik und Gesellschaft eingeleitet werden können und illustrierte dies am Beispiel des Rauchverbots. Obwohl schon in den 80er Jahren wissenschaftlich evident war, dass Passivrauchen der Gesundheit schadet, wurden zunächst jahrzehntelang keine Konsequenzen daraus gezogen. Erst als Irland 2003 als erstes Land in Europa ein Rauchverbot an öffentlichen Orten einführte, geriet das Thema auch andernorts zunehmend in Diskussion. Aufgrund rationaler Schlussfolgerungen wird höchst selten etwas politisch angestoßen bzw. umgesetzt, so Fahy, am wichtigsten sei es, eine gute Geschichte zu erzählen,
Über das Gleichgewicht der Seelenkräfte und den Vorrang für Empathie
Die offizielle Eröffnung des 6. Medicinicum Lech erfolgte am Donnerstagnachmittag durch den Bürgermeister von Lech Ludwig Muxel. Dabei verwies er auf Qualitäten der namhaften Urlaubsdestination, die sich als eine der gesündesten Gemeinden zukünftig noch stärker im Gesundheitstourismus positionieren will. Zu den Marksteinen in Sachen Ökologie zählen u. a. die Errichtung der Biomasseheizwerke oder auch die Limitierung der Benutzer des Skigebiets – einzigartig in den Alpen. Das rund 15 km lange autofreie Zugertal oder auch, dass in Lech drei Imker naturreinen Honig produzieren, illustriert ebenfalls, dass bei der Ortsentwicklung stets die Nachhaltigkeit im Auge behalten wurde und Qualität vor Quantität geht.
Mit besonders großer Spannung erwarteten die Teilnehmer des Medicinicum Lech im vollbesetzten Veranstaltungssaal des sport.park.lech den Vortrag von Richard David Precht. Der als Querdenker geschätzte Philosoph referierte zum Titel „Ist die Erde noch zu retten? Digitale Revolution und Gesundheit“. Bei dem Versuch, aus der Vogelperspektive einen Blick auf das aktuelle Welttheater zu werfen, wie Precht meinte, beleuchtete er die beiden Felder Gesundheit und Ökologie. Zunächst betonte er, dass ein neues, nämlich das zweite Maschinenzeitalter angebrochen und dies die größte revolutionäre Zäsur im Betriebssystem unserer Gesellschaft seit über 200 Jahren sei. Einem Rückblick auf Philosophie- und Medizingeschichte folgte seine These, dass die Isonomia, heißt das Gleichgewicht der Seelenkräfte als einstiger Leitwert der Antike im ersten Maschinenzeitalter abhandengekommen sei.
Das kapitalistische System kenne kein Maßhalten, was Auswirkungen auf die Ökologie wie auch auf die Gesundheit hat. Besonders scharf ging Precht mit den Ideologen des Silicon Valley ins Gericht, deren Transhumanismus der stärkste Anschlag auf den Humanismus aller Zeiten sei. Am Beispiel eines Roboters in Gestalt einer niedlich wirkenden Robbe, der für Demenzpatienten kreiert wurde, brachte er seine Kritik auf den Punkt: „Ich möchte nicht, dass ein Mensch in dem vielleicht Einzigen, wozu er noch in der Lage ist – nämlich Liebe zu geben und Liebe zu empfangen – verarscht wird.“ Wir versuchen heutzutage mit Technik zu lösen, was wir über Empathie lösen sollten, so Precht.
Den abschließenden Vortrag hielt Prof. Dr. Armin Fidler, der unter anderem als Chefberater für Gesundheitspolitik und -strategie für die WHO sowie die Weltbank tätig war und Professor in Health & Social Management am MCI ist. Im Mittelpunkt standen Fragen wie: Was sind die Folgen des Bevölkerungswachstums, sollen doch 2050 rund 10 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben? Wie werden wir den Globus weiterhin nachhaltig ernähren können? Wie schaut es mit der globalen Gesundheit aus? Und wie soll man die Herausforderungen stemmen, ohne die Ressourcen komplett zu verbrauchen? Prognosen wagte Fidler keine zu geben, doch skizzierte er markante Entwicklungen wie eine zunehmende Fehlernährung, und zwar als Mangelernährung einerseits und Überernährung andererseits. Auch in den folgenden Tagen werden beim Medicinicum Lech zahlreiche Fragen zum Thema „Umwelt und Gesundheit“ aufgeworfen und möglichst zukunftsweisende Antworten dazu geboten. Man darf sich auf ein intellektuelles Feuerwerk freuen, wie Markus M. Metka bei seiner gestrigen Eröffnungsrede meinte.
Weitere Informationen und Kontakt
Das detaillierte Programm 2019 und weitere Infos unter www.medicinicum.at.
Kontakt:
si!kommunikation
Lisa-Maria Innerhofer
Christina Nigsch
info@si-kommunikation.com
PM 4_Medicinicum Lech 2019_05.07.19
Kommentar hinterlassen
Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?