Feierliche Eröffnung des 23. Philosophicum Lech
Lech, 2019-09-27
Auftakt des internationalen Symposiums zum hochaktuellen Thema „Die Werte der Wenigen. Eliten und Demokratie“
Mit der feierlichen Eröffnung des 23. Philosophicum Lech am gestrigen Tag wurde Lech am Arlberg wieder zu einem internationalen Zentrum intellektueller Auseinandersetzung. „Die Werte der Wenigen. Eliten und Demokratie“ lautet der Titel des viertägigen Symposiums, zu dem namhafte Referenten und rund 600 Teilnehmer aus dem gesamten deutschsprachigen Raum diskutieren. Der transdisziplinäre Charakter der Veranstaltung verspricht eine so umfassende wie grundlegende Erörterung des brisanten gesellschaftspolitischen Themas. Angesichts der Nationalratswahl in Österreich könnte es aktueller kaum sein.
Etliche demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklungen im internationalen Kontext dürften Konrad Paul Liessmann,den wissenschaftlichen Leiter des Philosophicum Lech, zur Wahl des heurigen Themas inspiriert haben. Vor einem Jahr konnte er freilich nicht wissen, welch zusätzliche Brisanz dasselbe durch die innenpolitischen Entwicklungen in Österreich erhält. Auf die Aktualität des 23. Philosophicum Lech in Bezug auf die bevorstehende Nationalratswahl in Österreich kam Ludwig Muxel, der Bürgermeister von Lech, bei der feierlichen Eröffnung zu sprechen und verwies dabei auf das untrügliche Gespür von Liessmann für die brennenden Fragen unserer Zeit. Unter dem Titel „Die Werte der Wenigen. Eliten und Demokratie“ werden die geladenen Philosophen, Soziologen und Kulturwissenschaftler in ihren Vorträgen für eine multiperspektivische Betrachtung des konfliktgeladenen Themas garantieren. Es sind damit Kernfragen der politischen Kultur wie auch derzeitige gesellschaftliche Tendenzen angesprochen. „Das Verhältnis von Eliten und Demokratie ist zentral für die Entwicklung und die Perspektiven einer modernen Gesellschaft“, unterstreicht Liessmann im Editorial zum heurigen Philosophicum Lech. Bereits den Eröffnungstag prägten lebhafte Debatten über Problematiken wie die Spaltung der Gesellschaft.
Philosophisch-literarischer Vorabend als unterhaltsamer Auftakt
Einen Vorgeschmack auf die vielfältigen Aspekte, unter denen gesellschaftliche Eliten betrachtet werden können, bot der philosophisch-literarische Vorabend am Mittwoch. Wie gewohnt diente dabei die Weltliteratur als Fundus und gab Michael Köhlmeier, einst der Ideengeber zum Philosophicum Lech, drei Nacherzählungen zum Besten. Seine Schilderungen des Charakters des griechischen Heros Achilles anhand der Ilias animierte Liessmann zu einer psychopathologischen Deutung elitären Verhaltens. Die Gewitztheit des „gestiefelten Katers“ im gleichnamigen grimmschen Märchen erinnerte den Philosophen wiederum an Geschehnisse der jüngeren Zeit. So merkte er etwa an, dass niemand so leicht in eine Falle tappt wie der Eitle aufgrund seiner Ichbezogenheit und Überheblichkeit. Und in Bezug auf das höfische Epos „Gregorius“ von Hartmann von Aue illustrierte er u. a., dass „die Erwählten“ gerne unter sich bleiben und die daraus resultierenden Tragödien der geschlossenen Gesellschaft. Das Wechselspiel von atmosphärischer Erzählung und philosophischer Interpretation fand wie immer großen Anklang beim Publikum.
Hochkarätiges Rahmenprogramm am Donnerstagvormittag
Gut besucht waren auch die Diskussionsveranstaltungen, die zur Einstimmung aufs Philosophicum Lech am Donnerstagvormittag geboten wurden.Interessierte hatten die Wahl zwischen drei hochkarätigen Events in außergewöhnlichem Ambiente. Das Panoramarestaurant am Rüfikopf auf 2.350 Höhenmetern war Schauplatz von „HOHE LUFT_Philosophieren am Berg“, unter Patronanz des Philosophie-Magazins und Medienpartners des Philosophicum Lech, bei dem Thomas Vašekund Rebekka Reinhardeinen anregenden Diskurs führten. Bei „Heiße Debatten – Philosophieren im Heizwerk Lech mit ‚Die Presse‘“, einem weiteren Medienpartner des Symposiums, moderierte Judith Hecht die Diskussion zwischen Bernd Stegemann, Dramaturg am Berliner Ensemble und Publizist,sowie Konrad Paul Liessmann zum Thema „Politik und Moral“. Als dritte Option bot sich die Exkursion zum Kunsthaus Bregenz, mit Rundgang durch die Ausstellung von Thomas Schütteund Diskussion zwischen dem KUB-Direktor Thomas D. Trummerund dem Kulturwissenschaftler Wolfgang Müller-Funküber dessen Buch „Theorien des Fremden“. Weitere Highlights des Rahmenprogramms sind die Verleihung des Tractatus, des renommierten Essay-Preises des Philosophicum Lech, am Freitagabend, das Konzert LegeArtis Lech am Samstagabend und Führungen zum Skyspace Lech des Künstlers James Turrell.
Magna-Impulsforum am Donnerstagnachmittag zu einem brandheißen Thema
Äußerst lebhaft entwickelte sich die Debatte beim diesjährigen Magna-Impulsforum, unterSchirmherrschaft des Hauptsponsors, zur Frage „Oben und unten. Links und Rechts. Gespaltene Gesellschaft?“. Unter Moderation von Michael Fleischhackerdiskutierten der Schweizer Journalist Frank A. Meyer, die Autorin und Künstlerin Julya Rabinowich, Europakorrespondent Dirk Schümersowie der bereits erwähnte Bernd Stegemann. Die Themenpalette reichte von der Verantwortung der Medien für die tatsächliche oder, so Fleischhacker, womöglich auch nur imaginierte Spaltung der Gesellschaft durch deren zunehmend moralisierenden und polarisierenden Tenor bis hin zum Für und Wider der Identitätspolitik. Dabei kamen persönliche Anekdoten aus dem Lebensalltag wie häufigere persönliche Anfeindungen ebenso aufs Tapet wie kontroverse Ansichten zur Durchlässigkeit der Gesellschaft auf dem Bildungsweg oder auch die Radikalisierung des öffentlichen Diskurses durch eine Ideologisierung.
Feierliche Eröffnung mit anschließenden Impulsreferaten
Bei der offiziellen, feierlichen Eröffnung folgten auf die Begrüßung und Dankesworte von Ludwig Muxeldie Grußworte von Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser, der die gleichbleibend hohe Qualität des Philosophicum Lech wie auch die stete Aktualität der Jahresthemen hervorhob. Im Anschluss referierte Dieter Althaus,Vice President Governmental Affairs Magna Europe, über „Die Mobilität der Demokratie“. Beschlossen wurde der Eröffnungstag wie gewohnt durch das Impulsreferat von Konrad Paul Liessmann unter dem Titel der heurigen Veranstaltung. Dabei hatte er auch Überraschendes parat und erklärte u. a. dass die Idee der Meritokratie, also der Herrschaft der Leistungsfähigsten in der Demokratie zu einem grundsätzlichen Problem, ja Paradoxon führt. Denn in der Demokratie sei die politische Teilhabe und Verantwortung nicht von individuell zu erbringenden Leistungen, Eigenschaften und Fähigkeiten abhängig zu machen. Auch müssten die liberalen Eliten das Kunststück zustande bringen, universelle Werte zu propagieren, die dennoch nur für wenige in Frage kommen. Die Frage, ob wir in der Demokratie die Eliten brauchen, ließ Liessmann bewusst offen und meinte jedenfalls, dass man sie nicht bekämpfen müsse, aber sie in die Pflicht nehmen sollte. Wer diese Eliten sind, wie sie sich bilden und an welchen Werten sie sich orientieren, sind nur einige der Fragen die in den folgenden Tagen beim Philosophicum Lech vertiefend erörtert und diskutiert werden.
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