Essay-Preis und prominente Vortragende beim 20. Philosophicum Lech
Tractatus-Verleihung an den Sozialphilosophen Hartmut Rosa
Mit der feierlichen Verleihung des Tractatus an Hartmut Rosa fand der zweite Tag des 20. Philosophicum Lech seinen krönenden Abschluss. Die exemplarische Auszeichnung seines Werkes „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung“ freute den bekannten deutschen Soziologen ganz besonders. Schließlich sieht er im Charakter des Symposiums eine Parallele zu seinem Wissenschaftsverständnis und würdigte er Lech als eine „schöne Resonanzoase“.
Der Festakt zur Verleihung des Tractatus gehört zu den alljährlichen Höhepunkten des Philosophicum Lech. In besonderem Maße galt dies für den gestrigen Abend. Zum einen begeht das interdisziplinäre Symposium ein rundes Jubiläum, zum anderen fühlte sich der heurige Preisträger gleich in mehrfachem Sinne geehrt und nicht nur aufgrund der Auszeichnung wohl genau am richtigen Ort. Den Tractatus 2016 erhielt der prominente deutsche Soziologe Hartmut Rosa, dessen richtungsweisendes Werk „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung“ exemplarisch mit dem Essay-Preis bedacht wurde. Die hohe Dotation desselbigen von 25.000 Euro verdankt sich drei anonymen Sponsoren und die Auswahl des bzw. der Prämierten einer dreiköpfigen Jury, bestehend aus der Journalistin und Philosophin Barbara Bleisch (CH), dem Autor und Philosophen Franz Schuh (A) sowie dem ehemaligen Verleger und Schriftsteller Michael Krüger (D).„Ich gratuliere Ihnen im Namen der Jury sehr herzlich zu diesem schönen und auch schön dotierten Preis“, schloss Krüger, der Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, seine Laudatio und ergänzte: „Möge er Ihre Resonanzkräfte stärken.“ Resonanz ist der zentrale Begriff in der über 800 Seiten starken Abhandlung von Rosa, was sich bereits im Buchtitel wie auch im einleitenden Satz widerspiegelt: „Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung.“ Als Gegenbegriff zur Entfremdung – resultierend aus unserer ständig sich dynamisierenden, permanent auf Steigerung bedachten Gesellschaft – versteht der Soziologe darunter einen gegenläufigen Beziehungsmodus, zu unserer Umwelt, „eine Anverwandlung der Welt, das Stiften einer lebendigen Beziehung“, wie er in seiner Dankesrede ausführte.Freilich sei eine Auszeichnung wie der Tractatus grundsätzlich ein Anlass zur Freude, doch kämen bei ihm noch zwei weitere, sachliche Gründe dazu, wie Rosa anmerkte: „Zum einen ist es ja nicht selbstverständlich als Soziologe einen kulturwissenschaftlich-philosophischen Preis zu erhalten. Dabei suchte ich schon immer den Anschluss an die Philosophie und bezeichne mein Tun am liebsten als Sozialphilosophie. Und zum anderen pflegt das Philosophicum Lech den Dialog mit der Öffentlichkeit, also die Rückbindung der Philosophie an die nicht-akademische Welt, was voll und ganz dem entspricht, wie ich Wissenschaft betreiben möchte.“ Nach Entgegenahme des Tractatus aus den Händen von Bürgermeister Ludwig Muxel betonte Rosa abschließend, wie wichtig Orte der Begegnung und des Nachdenkens seien und würdigte Lech mit seinem Philosophicum als „schöne Resonanzoase“.Anlass zu regem Austausch gaben gestern auch wieder die hochkarätigen Vorträge beim Philosophicum Lech. Bereits der erste, von Christoph Türcke, bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, sorgte für Überraschung und reichlich Diskussionsstoff. Unter dem Titel „Wir kommen von Gott nicht los, solange wir noch mit Geld hantieren“ bot er eine tiefgründige Theorie zur Entstehung des Geldes, die sich von der bereits seit Aristoteles vorherrschenden fundamental unterscheidet. Von der frühesten Menschheitsgeschichte, als archaische Kollektive höheren Mächten Opfer zu schulden glaubten (wobei sich der Begriff Geld von angelsächsisch „gilt“ für Schuld ableite) bis hinauf in die Gegenwart mit den Auswüchsen der Finanzmärkte analysierte Türcke die Entwicklung der Zahlungsmittel auf kulturhistorischer und sozialpsychologischer Ebene, verbunden mit beklemmenden wie auch erheiternden Erkenntnissen, etwa: „Leute, die Kaufkraft aus Nichts erschaffen, sind Priester“. Somit auch Mario Draghi.Das folgende Referat von Käte Meyer-Drawe, bis zur Pensionierung 2014 Professorin für Allgemeine Pädagogik an der Ruhr-Universität Bochum, widmete sich dem spannenden Verhältnis von Mensch und Technik mit Fokus auf theologischen Motiven. Nachmittags kamen dann zwei höchst prominente Professoren aus Deutschland zu Wort. Zunächst referierte Heinz Bude, Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel und langjähriger Bereichsleiter am Hamburger Institut für Sozialforschung über „Das Gefühl der Welt. Die Stimmung der Jetztzeit zwischen Gottessehnsucht und Systemfatalismus“. Seinen aufschlussreichen Ausführungen über die Gemüts- und Soziallage in Deutschland folgten jene von Herfried Münkler, Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin, über aktuelle Kriegsschauplätze, deren historische Entwicklung und den sich verändernden Charakter von sogenannten Kriegen in den letzten drei Dezennien. Unter der Moderation von Rainer Nowak, Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse“, entwickelte sich anschließend – wie auch am Vormittag – eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum – nach bewährter Tradition des Philosophicum Lech.
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