Tag 2 Medicinicum Lech – Wurzeln, Stärken und Unwägbarkeiten der Medizin im Westen
Medicinicum Lech 2017
Zukunftsvisionen dank Rückbesinnung und Reflexion
Wurzeln, Stärken und Unwägbarkeiten der Medizin im Westen
07. Juli 2017
Unter dem Titel „Medizin im Westen“ entfaltete sich am zweiten Tag des Medicinicum Lech ein breites Panorama der abendländischen Heilkunst. Die in sieben Vorträgen thematisierten Aspekte reichten von Spiritualität und Naturheilkunde über Segen, aber auch die Hybris der Schulmedizin bis hin zur Problematik der Überdiagnose und komplementäre Krebstherapien.
Als am Eröffnungstag des Medicinicum Lech 2017 von einer Ökumene der Medizin die Rede war, bezog sich dies nicht nur auf einen Brückenschlag zwischen den drei großen medizinischen Schulen – Ayurveda, TCM und westliche Schulmedizin –, sondern auch auf den Austausch zwischen Vertretern verschiedenster Fachgebiete. Dank des interdisziplinären Charakters diesem Anspruch von Anfang an gerecht werdend, bot die renommierte Public Health-Veranstaltung am zweiten Tag überaus abwechslungsreiche und erhellende Vorträge über die abendländische Medizin – von deren Anfängen bis zu den Zukunftsvisionen. Zudem begeisterte die Teilnehmer auch das Rahmenprogramm – mit gleich drei Workshops, Shiatsu und Yoga oder auch der Kräuterwanderung mit Hauben-Koch Thorsten Probost und Veronika Walch.
Den eröffnenden Vortrag hielt am Freitag Dr. Gerhard Kögler, Gründer des Zentrums für Präventivmedizin und AntiAging in Wien sowie ärztlicher Leiter der TEM-Akademie. Die Traditionelle Europäische Medizin stand auch im Mittelpunkt seiner Ausführungen unter dem Titel „Von den Druiden über die Griechen und Paracelsus ins Heute“, wobei er spannende historische Schlaglichter auf die Heilkunde des Westens warf und seinen ganzheitlichen Ansatz unter Einbeziehung der modernen Medizin vorstellte.
Anschließend referierte Prof. DDr. Johannes Huber, der zweite wissenschaftliche Leiter des Medicinicum Lech, zur Frage „Was kann die Schulmedizin?“. Nachdem er zunächst anhand historischer Beispiele wie der ersten Applikation von Penicillin 1941 oder der ersten klinischen Narkose 1846 illustrierte, warum die moderne Medizin zurecht als eines der größten Erfolgsmodelle der Menschheit gilt, stellte er sich der Frage, warum sich dennoch viele Menschen von ihr abwenden und nannte als einen Grund, dass „die Modernen“ die Brücken zu den transzendenten Sphären abgebrochen haben und alle freigewordenen Kräfte in die profane Existenz stecken. Dabei kam er auf das „100K Wellness Project“ des „Institute for Systems Biology“ zu sprechen, dessen Ziel es ist, den Menschen funktionell gesund bis zum 100. Lebensjahr zu bringen. Einerseits klinge das nach amerikanischem Größenwahn, andererseits wird das Projekt teils bereits schon zur Realität, so Huber.
Neuorientierung als Rückbesinnung und die Relevanz der Resonanz
Im dritten Vortrag widmete sich Prof. Dr. Hartmut Schröder der Frage „Was sagt die Wissenschaft zu Zusammenhängen von Körper, Seele und Geist?“. Als Experte für Entspannung und Stressbewältigung, Kommunikation und Kultur sowie Public Health Responsibility sieht er sich sowohl in der naturwissenschaftlichen als auch in der geisteswissenschaftlichen Tradition und spannte einen weiten Bogen: von der Information als Grundbegriff über Heilung in der Antike sowie Herzgesundheit und Resilienz bis hin zur Naturheilkunde. Eine seiner Kernbotschaften: „Jede Wissenschaft, welche die eigene Geschichte nicht kennt, ist eigentlich kopflos. Daher mein Appell an die Moderne Medizin – Neuorientierung durch Rückbesinnung“.
Mit seiner Ansicht, dass es zum Wichtigsten für einen kranken Menschen zählt, wieder in Resonanz – und sozusagen in Einklang mit sich selbst – zu kommen, trifft sich Schröder mit dem nachfolgenden Referenten Dr.Alfred Lohninger, mit dem gemeinsam er bereits eine häufig zitierte Studie herausbrachte, laut der Lachen gesund ist. Lohninger, der Allgemeinmediziner, Chronomediziner und TCM-Experte ist, erörterte das Thema „Krankheit und Heilung in Ost und West: (Gemeinsame) naturwissenschaftliche Grundlagen.“. Dabei betonte er unter anderem die Bedeutung der Selbstheilungskräfte des Patienten und erklärte die Würdigung der gesunden Anteile und die Nutzung der Ressourcen als unabdingbar für die Heilung. Zudem forderte er die Empathie des Behandelnden, weil sie „die Basisstimmung für die gesundheitsfördernde Resonanz“ bietet.
Von Überdiagnosen, Lebenskraft und Komplementären Krebstherapien
Abwechslungsreich erwiesen sich auch die Vorträge am Freitagnachmittag. Zunächst referierte der Präsident des Arbeitskreises für Vorsorge- und Sozialmedizin in Vorarlberg Primar Dr. Hans Concin über „Die Überdiagnosen der modernen Medizin“. Diese haben nichts mit Fehldiagnosen zu tun, wie er einleitend erklärte, sondern sind korrekte Befunde, die sich auf eine vermeintliche „Erkrankung“ – er nannte es Zustand – beziehen, die zu keinen Symptomen bzw. Beschwerden führen und schon gar nicht zum Tod. Die Diagnose kann jedoch beim Betroffenen zu negativen Folgen, etwa durch den ausgelösten Stress und Ängste führen. Insbesondere im Screening sind die Überdiagnosen ein Problem, wie Concin des Weiteren erläuterte, wurden doch bereits Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Vorsorgeuntersuchungen an sich laut. So stelle sich heute die Frage „to screen or not to screen“, die Concin differenziert beantwortet und auf alle Fälle eine Aufklärung der Patienten darüber einmahnt.
In einen ganz anderen Bereich führte im Anschluss der Vortrag von Prof. Dr. Raimund Jakesz zu „Spiritualität und Medizin – neue Wege in die Lebenskraft“. Jeder Mensch hätte gerne und benötige auch Lebenskraft, so Jakesz, wobei sie etwas sei, „dem wir in der Schulmedizin nicht näher kommen, aus dem einfachen Grund, weil sie nicht messbar ist“. Dem facettenreichen Panorama von der zentralen Energie zur Bewältigung unserer Lebensaufgaben folgte das Referat von Prof. Dr. Leo Auerbach über „Komplementäre Krebstherapien – von der Tradition zur modernen Medizin“. Dabei gab der Onkologe einen Überblick über das breite Feld solcher Behandlungen und berichtete sozusagen auch über deren Konjunkturen, was das Interesse der Patienten anbelangt. So liefen nach gehäuften Berichten in den Medien – wie kürzlich über die eventuelle, noch nicht durch Studien nachgewiesene antikarzinogene Wirkung von Methadon – bei ihm die Telefone heiß. Grundsätzlich seien die Komplementären Krebstherapien zu begrüßen, nicht zuletzt auch, weil sie die Selbstheilungskräfte der Patienten aktivieren, wobei Auerbach betonte, dass sie Teil der klinischen Onkologie sind.
Ein ähnlich breites Spektrum an Ein- und Ausblicken erwartet die Teilnehmer des Medicinicum Lech auch am Samstag mit Schwerpunkt auf der Medizin im Osten. Das detaillierte Programm und weitere Infos finden sich unterwww.medicinicum.at.
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