Feierliche Eröffnung des 17. Philosophicum Lech
Philosophischer Gedankenaustausch in alpinem Ambiente
Eingeleitet vom Magna Impulsforum und begleitet von Grußworten aus der Politik wurde heute das 17. Philosophicum Lech feierlich eröffnet.
Bereits seit Wochen ausgebucht, bietet das renommierte Symposium wieder vier Tage des angeregten Gedankenaustausches und zugleich Urlaubsgenuss im charmanten Bergdorf mit Weltruf. Dieses Jahr dem Thema „Ich. Der Einzelne in seinen Netzen.“ gewidmet, wussten bereits die ersten Vortragenden, Konrad Paul Liessmann und Gernot Böhme, das Publikum zu begeistern.
Mit der heutigen Eröffnung des Philosophicum Lech präsentiert sich Lech am Arlberg bereits zum 17. Mal als intellektuelle Begegnungsstätte mit ganz besonderem Anspruch und Flair. Während sich das interdisziplinäre Symposium über die Jahre eine ausgezeichnete internationale Reputation erarbeitete, hat es jene des weltbekannten Wintersportortes um eine reizvolle Facette bereichert. In einem Jahr, wo das Philosophicum sämtliche Rekorde bricht, wie Bürgermeister Ludwig Muxel in seiner Eröffnungsrede anmerkte, bittet er um Verständnis, dass Kapazitätsgrenzen erreicht und in Zukunft auch nicht ausgeweitet werden, „um die einzigartige, fast familiäre Atmosphäre zu erhalten“.
Während der Vorarlberger Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser in seinen Grußworten das Philosophicum als ausgezeichnete Plattform zur Diskussion gesellschaftsrelevanter Themen würdigte, nutzte Bundesminister Karlheinz Töchterle die Gelegenheit, seine Kenntnisse als Altphilologe zum Besten zu geben. In Rekurs auf die Antike stellte er den „Idiotes“, die sich nicht am politischen Leben beteiligen, die „Polites“ gegenüber, deren Einsatz für das Gemeinwohl damals mit größter Wertschätzung verbunden war. Seine einleitende Bemerkung, dass auch er sich für seinen Einsatz Dank und Respekt erwartet, wurde vom Publikum ebenso mit Applaus quittiert wie die offizielle Eröffnungsformel.
Wie jedes Jahr ging dem Eröffnungsakt das Magna Impulsforum voraus. Unter der Gesprächsleitung von Markus Spillmann, Chefredakteur der NZZ, widmete sich eine illustre Runde aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur dem Motto, „Sei ganz Ich!“. Mit der augenzwinkernden Frage an den prominenten Psychiater Reinhard Haller, wer von den anderen womöglich der größte Narzisst sei, eröffnete Spillmann die unterhaltsame Diskussion. Diese reichte vom Bekenntnis Erwin Wurms, dass das Publikum das Letzte sei, woran er bei seinem künstlerischen Schaffen denke, über die humorvolle Anmerkung von Michi Klemera, dass er sich bei Misserfolg hinter dem Namensgeber seines Modelabels Luis Trenker verstecken könne, bis hin zum Zitat Martin Bubers „der Mensch wird am Du zum Ich“ aus dem Munde von Kommunikationsprofi David Ungar-Klein
Als Auftakt wurde bereits gestern, am sogenannten philosophisch-literarischen Vorabend, das von nah und fern angereiste Publikum auf das diesjährige Thema „Ich. Der Einzelne in seinen Netzen.“ eingestimmt. In bewährter Manier paraphrasierte der Literat und begnadete Erzähler Michael Köhlmeier drei Geschichten unterschiedlichster Provenienz und eröffnete damit dem Philosophen Konrad Paul Liessmann einen weiten Interpretationsraum, den dieser mit kongenialen Reflexionen zu füllen wusste. Der erzählerische Bogen wurde dabei vom Schöpfungsmythos des Menschen als Ebenbild Gottes über den Mythos von Narziss aus Ovids Metamorphosen bis hin zu einem schaurigen Märchen von Hans Christian Andersen gespannt. Als kulturhistorische Herleitung des heurigen Themas war der gemeinsame Nenner der drei Erzählungen und ihrer analytischen Weiterführung das ambivalente Wesen der Identität, des gleichsam gespiegelten Ich.
Auch in den kommenden drei Tagen werden Philosophen, Kulturwissenschaftler und Soziologen für eine abwechslungsreiche Erörterung und angeregte Diskussion der ebenso aktuellen wie zeitlosen Thematik garantieren. Bereits die ersten beiden Vortragenden, der wissenschaftliche Leiter des Philosophicum Lech Konrad Paul Liessmann, sowie der Philosoph Gernot Böhme, Direktor des Instituts für Praxis der Philosophie in Darmstadt, wussten die Zuhörerschaft am Eröffnungstag zu begeistern.
Liessmann, der im Aufzeigen diverser Paradoxa – wie eines Individualismus als Norm, der sich selbst ad absurdum führt, oder der Selbstdarstellung in virtuellen Netzen, die dem Individuum keinen Raum mehr zur Selbstfindung lässt – eine pointierte Zeitdiagnose zum Besten gab, ließ seine Ausführungen mit folgendem Verdikt enden: „Der Egoismus unserer Tage ist nicht Ausdruck einer radikalisierten Individualität, sondern Konsequenz der sich selbst kontrollierenden Wettbewerbsgesellschaft, in der alle ihren Vorteil suchen, indem sie das machen, was die anderen auch machen. Gerade wenn in einer Gesellschaft jeder nur an sich denkt, denken alle das Gleiche.“
Böhmes zentrale These in einem fesselnden Vortrag lautete, dass „ich selbst nur gut Mensch sein kann, wenn ich den anderen mit einbeziehe“. Dass Ich zunächst im sokratischen Sinn als innere autonome Distanz definierend und das Selbst nach Hermann Schmitz als all das, von dem ich mich nicht ohne Schmerzen trennen kann, stünden diese beiden Instanzen in einer Spannung. Gut Mensch zu sein, bedeute, diese Spannung auszubalancieren. Den anderen dabei einzubeziehen, illustrierte er am Phänomen der Abhängigkeit, die in unserer Kultur rein negativ belegt ist. Schon ab Kindesbeinen die Selbstständigkeit als Ideal, sind Themen wie Pflegebedürftigkeit für uns höchst heikel. Dem stellte Böhme die japanische Kultur gegenüber, in der es einen Begriff für eine selbstgewählte und auch genossene Abhängigkeit gibt.
Mit Spannung dürfen die Ausführungen der weiteren Referenten erwartet werden. Kein Zweifel, dass Lech in den kommenden Tagen nicht nur mit seiner traditionellen Gastfreundschaft und bezauberndem alpinen Ambiente, sondern auch mit imposanten Geistespanoramen zu begeistern weiß.
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